Vollmachtsvorlage – ausnahmsweise schon – Die 2.

28. Juli 2010

Auf einen Einzelfall, in dem eine Vollmachtsurkunde ausnahmsweise vorzulegen ist, hatten wir bereits hingewiesen. Auf eine andere – oft übersehene – Konstellation macht der (auch im Urlaub fleißige 😉 ) Kollege Burhoff aufmerksam unter Hinweis auf den Beschluss 4 StRR 93/10 des OLG München vom 14.o7.2010:

Leitsatz: Die Vertretung des Angeklagten in der Hauptverhandlung durch den Pflichtverteidiger gemäß § 411 Abs. 2 Satz 1 StPO setzt eine wirksam erteilte Vertretungsvollmacht voraus. Die ihm als Wahlverteidiger zuvor erteilte Vertretungsvollmacht erlischt mit seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger.

Also, wie schon gesagt: Haben sollte man die Vollmachtsurkunde in jedem Fall, ob und wann man sie vorlegt, ist eine andere Frage.

s. auch hier


Der Landkreis Güstrow muss lernen, na also!

27. Juli 2010

Die Verweigerung einer Akteneinsicht wegen „Zweifeln an der Bestellung Ihrer Person zum Verteidiger“ mangels Vollmachtsvorlage konnte ich nun wirklich nicht im Raum stehen lassen. Neben dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung (auf den noch zurückzukommen sein wird) gab’s deshalb auch noch einen Doppelschlag: Dienstaufsichts- und Fachaufsichtsbeschwerde gegen den Landrat bzw. den dort zuständigen Sachbearbeiter.

Für letztere ist das Landesamt für Straßenbau und Verkehr M-V zuständig. Dort gibt es offensichtlich Sachbearbeiter, die Gesetze, Urteile + Kommentare nicht nur lesen, sondern auch verstehen können. Heute erreichte mich folgende e-mail:

Sehr geehrter Herr RA Melchior,

mit Schreiben des Landrates des Landkreises Güstrow als untere Rechtaufsichtbehörde vom 22.07.2010, Az.: 88921834 I/15 wil wurde mir Ihre Fachaufsichtsbeschwerde vom 29.06.2010, Az.: >>xyz Owi /uf/B<< zuständigkeitshalber übersandt. Diesbezüglich verweisen Sie auf ein Schreiben des Landkreises Güstrow vom 18.06.2010, in dem Ihnen

1. die beantragte Akteneinsicht in Ermangelung der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht abgelehnt wurde und
2. aufgrund der Aktenlage Zweifel an der Bestellung Ihrer Person zum Verteidiger geltend gemacht werden, da es eines Nachweises an einer derartigen Bestellung fehlt.

Nach Sichtung und Würdigung der Aktenlage komme ich zu dem Ergebnis, dass Ihnen die Akteneinsicht im genanntem Fall unter v.g. Maßgabe nicht hätte verwehrt werden dürfen .

Begründung:

zu 1. " Eine besondere Form ist für die Beauftragung des Wahlverteidigers nicht vorgeschrieben. Der Verteidiger muß die, mißverständlich so bezeichnete, " Verteidigervollmacht " demgemäß nicht unbedingt schriftlich beibringen; die Wirksamkeit der Verteidigerbestellung hängt von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde nicht ab. Für den Nachweis des Verteidigerverhältnisses genügt die Anzeige des Beschuldigten oder des Verteidigers. Die Vermutung spricht für die Bevollmächtigung des RA, der sich als Verteidiger meldet und eine Prozeßhandlung für den Beschuldigten vornimmt. " (Auszug aus Kleinknecht/Meier StPO, 38. Auflage, Seite 508, Vor § 137, 4) Vollmacht) siehe Anhang zu dieser e-mail.

Mithin liegt die Anzeige von Herrn RA Melchior mit Schriftsatz vom 10.Mai 2010 an den Landkreis Güstrow -Bußgeldstelle- vor. "Das Verteidigungsverhältnis umfasst, soweit es nicht auf bestimmte Handlungen (z.B. Akteneinsicht) oder Verfahrensabschnitte beschränkt ist oder vorzeitig beendet wird, das gesamte Bußgeldverfahren" (Auszug aus Erich Göhler OwiG, 14. Auflage, Seite 588, § 60, Das Verteidigungsverhältnis) siehe Anhang zu dieser e-mail.

zu 2. " Wenn im Einzelfall Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen, kann aber die Vorlage einer Vollmachtsurkunde verlangt werden." – siehe dazu v.g. Auszug zur StPO.

Jenen Grundsatz hat der Landkreis Güstrow geltend gemacht und dabei auf den fehlenden Nachweis der Verteidigerbestellung abgestellt, hierbei unter Verweis auf das Urteil BGHSt 36, 259,260. Dem Nachweis ist jedoch mit v.g. Anzeige von Herrn RA Melchior vom 10.Mai 2010, in der er sich als Verteidiger des Betroffenen meldet sowie eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichert, genüge getan. Insoweit wird auf das Urteil BGHSt 36, 260 verwiesen, in dem es Folgendes ausführt: " Abgesehen von den hier nicht interessierenden Fällen der Vertretungsvollmacht nach §§ 234, 329, 350, 387, 411 StPO verlangt das Gesetz beim gewählten Verteidiger lediglich für die gesetzliche Zustellungsermächtigung ( § 145a Abs. 1 StPO ), dass die " Vollmacht sich bei den Akten befindet". Dies dient dem Schutz des Angeklagten.

Sonst schreibt es eine Form für den Nachweis des Verteidigervertrags nicht vor und macht die Ausübung der Rechte des Verteidigers von der Vorlage einer Vollmacht nicht abhängig."

Im Übrigen gilt gegenüber einem RA der Vertrauensgrundsatz. Durch Herrn RA Melchior wurde lediglich auf die Verteidigung im Sinne des Beistandes abgestellt und nicht auf die Vertretung des Beschuldigten (das eines aktenmäßigen Nachweises mittels besonderer Vollmacht bedarf ) . Siehe dazu auch v.g. Auszug zur StPO, hier zur Vertretungsvollmacht.

Insoweit geht in diesem Fall auch die Versagung auf Akteneinsicht durch den Landkreis Güstrow mit Schreiben vom 19.05.2010 an Herrn RA Melchior unter Verweis auf den Beschluss des Amtsgerichts Güstrow vom 27.10.2005 in´s Leere.

Meine v.g. Rechtsauffassung habe ich den Vertretern des Landkreises Güstrow, Frau *** und Herrn *** vorab telefonisch am 26.07.2010 mitgeteilt.

Im Rahmen meiner diesjährigen Dienstbesprechung mit den Leitern der Kreisordnungsbehörden am 27.10.2010 werde ich Ihre Fachaufsichtsbeschwerde unter dem Thema "Vollmacht" zur einheitlichen Anwendung des Rechts auf die Agenda setzen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Na also, es geht doch – man muss nur wollen! Und wenn’s dann auch noch der Fortbildung dient. … 😉