Keine Vollmachtsvorlage – auch nicht in Steuerstrafsachen

26. Oktober 2016

Der Kollege Karsten Lühr schildert seinen Kampf mit dem Finanzamt um die Frage der Vollmachtsvorlage:

Sehr geehrter Herr Kollege Melchior,

mit großem Interesse lese ich Ihr Blog, obwohl ich mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsrecht nur selten Ausflüge ins Strafrecht unternehmen muss.

Bei einem Sanierungsfall ist es mir nun gelungen, das von Ihnen dankenswerterweise aufbereitete Praxiswissen zu nutzen und auch an das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen in Lüneburg weiterzugeben.

Meine Bitte um Akteneinsicht unter anwaltlicher Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung wurde zunächst telefonisch unter Hinweis auf die fehlende Vollmacht abgewiesen.

Ich wies danach schriftlich darauf hin, dass ich im Hinblick auf § 145a StPO bewusst auf die Vollmachtsvorlage verzichtet habe, dabei bleibe, dennoch die Akteneinsicht begehre.

Nachfolgend forderte mich das Finanzamt erneut zur Vollmachtsvorlage auf und verwies dabei auf Nr. 32 AStBV. Meine nachfolgende Dienstaufsichtsbeschwerde führte dann heute – nach dreimonatiger Verzögerung – zur kommentarlosen Akteneinsicht. Darin fand sich anliegender Vermerk.

Der Fall ist m. E. auch ein schönes Beispiel dafür, dass Dienstaufsichtsbeschwerden nicht immer fruchtlos sein müssen. Im Hinblick darauf, dass es mir ohne Ihre Arbeit unmöglich gewesen wäre, auf diesen vielleicht entscheidenden Nebenkriegschauplatz erfolgreich zu sein, verbleibe ich mit Dank und

besten kollegialen Grüßen

Karsten Lühr
Rechtsanwalt

Vielen Dank. Schön, dass wir helfen konnten!


Owi verjährt?? Kleiner Kuhhandel gefällig?

14. Oktober 2016

Die Bußgeldstelle übersieht offensichtlich, dass ich (wie immer) keine Vollmacht zur Akte gereicht habe und stellt mir den Bußgeldbescheid förmlich gegen Empfangsbekenntnis zu. Der Mandant erhält nur eine einfache Kopie – der Klassiker.

Also zunächst nur Einspruch eingelegt – natürlich ohne Begründung. Diese erfolgte dann pünktlich drei Monate und einen Tag (Insider wissen Bescheid) nach Datum der Anhörung: Es ist Verfolgungsverjährung eingetreten, es folgt eine kurze Darstellung der relevanten Daten.

Die Bußgeldstelle versteht zunächst offensichtlich nichts, schreibt den Mandanten direkt an und versucht ersichtlich, diesen unter Druck zu setzen. Es folgt ein netter Besinnungsaufsatz zur Anhörung, deren Funktion und Wirkung etc. pp. Würde der Mandant seinen Einspruch nicht zurücknehmen, müssten Staatsanwaltschaft und Gericht tätig werden (böse, böse!).

Also noch ein Schreiben an die Bußgeldstelle mit Hinweis auf die allein relevante unwirksame Zustellung des Bußgeldbescheides – die ggf. das zuständige Gericht feststellen möge. Jetzt wird’s lustig:

Der Leiter der Bußgeldstelle höchstselbst (!) fragt per E-Mail „aus reinem Erledigungsinteresse“ an, ob ich „einer Rücknahme des Bußgeldbescheides bei gleichzeitigem Erlass eines Verwarnungsgeldangebotes von 55.- € (ohne Eintragung im FAER) entgegen treten würde.“

Ob dieses Angebot überhaupt mit § 47 Abs. III OwiG vereinbar ist, mag einmal dahinstehen. Jedenfalls bleibt es bei dem Einwand der Verjährung. Nach zwischenzeitlicher Erinnerung dann heute die Nachricht:

Der Bußgeldbescheid wird wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung zurückgenommen, die Behörde trägt die Kosten und Auslagen.

Na also, geht doch! 😉


Die spinnen, die Bayern!

15. April 2016

Der Kollege Sünkenberg  fühlt sich unter uns Vollmachtsverweigerern ziemlich wohl – und das, obwohl ihm eine bayerische Staatsanwältin Folgendes mitteilte:

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,

es wird erneut gebeten, eine schriftliche Vollmacht zur Akte zu geben. Bei der Staatsanwaltschaft München II wird aus Gründen des Datenschutzes grundsätzlich Akteneinsicht nur mit Vorlegung oder Nachreichung einer schriftlichen Vollmacht zum Nachweis des Vertretungsverhältnisses gewährt. Dem steht auch nicht die von Ihnen zitierte Rechtsprechung entgegen; nach der Rechtsprechung kann die Vorlage einer Vollmachtsurkunde verlangt werden, wenn im Einzelfall Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen (Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, vor § 137 Rn. 9; Hamm AnwBI 81, 31; München StV 08, 127, 128; LG Hagen StV 83, 145). Vorliegend ergeben sich aufgrund Ihrer beharrlichen Weigerung, eine Vollmacht zur Akte zu geben, Zweifel an dem Vorliegen eines wirksamen Vertretungsverhältnisses.

Mit freundlichen Grüßen

Staatsanwältin

Geht’s noch ???  😦


Ohne Worte

13. April 2016

Meine Befürchtung, das VollMachtsBlog habe sich praktisch selbst abgeschafft, ist offensichtlich unbegründet, wie nachfolgendes sinnfreies Formular der Schweriner Bußgeldstelle zeigt (das immerhin einfach per Rückfax zu beantworten war). 😉

VMV

P.S. Mein entsprechender dezenter Hinweis im Akteneinsichtsgesuch  wurde offensichtlich schlicht übersehen – oder aber nicht verstanden.

P.P.S. Nach meinen Rückfax kam die Akte dann. Na also, geht doch! 😉


Vollmachtsvorlage, sogar unter Fristsetzung ?

6. April 2016

Manche haben es anscheinend immer noch nicht verstanden, so z.B. „unsere“ Bußgeldstelle:

„Gleichzeitig bitte ich Sie hiermit, mir ihre schriftliche Bevollmächtigung für das laufende Ordnungswidrigkeitenverfahren bis zum o.g. Termin nachzureichen.“

Mal sehen, was man mir auf meine Frage nach der Rechtsgrundlage antwortet. 😉

P.S.: Die blieb natürlich unbeantwortet. 😉


Mal wieder die „Sozietätsvollmacht“

10. Februar 2015

Der Kollege Burhoff stellt durchaus zu Recht fest: „Manche Bußgeldbehörden lernen es nie“ und referiert den Beschluss des AG Weimar 622 Js 201549/14 8 Owi vom 14.o1.2015:

Es besteht ein Verfahrenshindernis hinsichtlich des Betroffenen gemäß § 206 a StPO. Es ist Verfolgungsverjährung eingetreten, da die Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger die Verjährung nicht unterbrochen hat. Aus der sich in der Akte befindlichen Vollmachtsurkunde ist nur der Name der Kanzlei benannt, aber nicht der Name des bevollmächtigen Rechtsanwalts. Nach Internetrecherchen sind unter der in der Vollmacht genannten Anschrift mehrere Rechtsanwälte tätig. Die Vollmacht erfüllt demnach nicht die Voraussetzungen des § 145 a StPO. Die Zustellung des Bußgeldbescheides lediglich an den Verteidiger konnte daher die Verfolgungsverjährung nicht gem. § 33 OWiG unterbrechen.“

😉
Lesern des VollMachtsBlogs natürlich längst bekannt. 🙂


Keine Vollmacht bleibt keine Vollmacht

28. November 2014

Ein lobenswerter Beschluss des AG Lüdinghausen 19 OWi-89 Js 1652/14-166/14 vom 14.10.2014

Eine erst nach Zustellung zur Akte gereichte Vollmacht ist nicht ausreichend, eine vorherige unwirksame Zustellung wirksam erscheinen zu lassen oder nachträglich zu heilen.

Aus den Gründen:

Die Zustellungsurkunde hinsichtlich der Zustellung an den Verteidiger datiert vom 26. Juli 2014. Eine Verjährungsunterbrechung hierdurch konnte jedoch nicht stattfinden, da der Verteidiger zu dieser Zeit sich zwar als Verteidiger gemeldet hatte, sich seine Vollmacht jedoch nicht bei der Akte befand. Die Vollmacht wurde vielmehr erst mit Schreiben vom 12. September 2014 eingereicht. Eine solche erst nach Zustellung zur Akte gereichte Vollmacht ist nicht ausreichend, eine vorherige Zustellung wirksam erscheinen zu lassen oder nachträglich zu heilen.

Klar, prägnant und gesetzestreu – und nicht irgendwelche Phrasen von „rechtsgeschäftlicher Vollmacht“, „Verjährungsfalle“ oder ähnlicher Unfug. Bravo!


Selbst mit Vollmacht Zustellung fraglich

28. Mai 2014

Der Kollege Rainer Herrmann aus Koblenz hat eine bemerkenswerte Entscheidung erwirkt, die beim IWW Institut veröffentlicht wurde.

Kurz auf den Punkt gebracht:

Es besteht ein Verfahrenshindernis hinsichtlich des Betroffenen, § 206a StPO. Es ist Verfolgungsverjährung eingetreten, da die Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger die Verjährung nicht unterbrochen hat. Die Vorlage einer so genannten „Blankovollmacht“ eines Rechtsanwalts in einem Bußgeldverfahren, in der lediglich die Anschrift der Kanzlei im Kopf der Vollmacht angegeben, jedoch keine Rechtsangelegenheit benannt ist, für die die Vollmacht erteilt wurde, führt nicht zu einer wirksamen Zustellungsvollmacht i.S.d. §§ 145a StPO, 51 Abs. 3 OWiG, da eine derartige Vollmacht nicht geeignet ist, die förmliche Sicherheit bei Zustellungsadressaten zu gewährleisten. Die Zustellung eines Bußgeldbescheides in einer Verkehrsordnungwidrigkeitensache an den Verteidiger vermag daher die Verfolgungsverjährung nicht gemäß § 33 OWIG zu unterbrechen.

Beachtlich, würde ich gleichwohl nicht unbedingt ausloten wollen, keine Vollmacht vorzulegen erscheint mir als der sicherere Weg.

SONY DSC


Sinnfrei …

9. April 2014

… oder etwa nicht? 😉

JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs


Keine Zustellung ohne Vollmacht – auch nicht in Köln und Umgegend

14. Mai 2013

Verfahrenseinstellung wegen Verjährung nach Zustellung eines Bußgeldbescheids an einen nicht bevollmächtigten Verteidiger

Das OLG Köln (III-1 RBS 334/12 vom o4.o1.2013) hat entschieden:

Die Verfahrenseinstellung ist geboten, wenn die Zustellung des Bußgeldbescheids nicht wirksam an den Verteidiger des Betroffenen erfolgte, weil es an einer wirksamen Bestellung des Rechtsanwalts durch eine Vollmachtsurkunde von Seiten des Betroffenen fehlt.

Aus den Gründen: Im Interesse der Rechtssicherheit ist am Erfordernis einer schriftlichen, bei den Akten befindlichen Vollmacht festzuhalten. Es liegt auch kein Fall vor, in dem der Betroffene dem Verteidiger zwar keine Verteidigervollmacht, aber eine ausdrückliche Zustellungsvollmacht erteilt hat, die von der gesetzlichen Fiktion der Zustellungsvollmacht gem. § 51 III S. 1 OWiG, § 145 a I StPO zu unterscheiden ist und formlos nachgewiesen werden kann. Denn auch eine solche Zustellungsvollmacht hat der Betroffene nicht erteilt. Entgegen der Ansicht des AG ersetzt die auch formlose Übersendung des Bußgeldbescheides an den Betr. nicht dessen Zustellung, da insoweit kein Zustellungswille der Behörde vorlag.

Fundstellen: ADAJUR-ARCHIV #101387

Na also! Und wieder eine Bestätigung, dass man als Verteidiger eben gar keine Vollmachtsurkunde vorlegt.

JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs