Mission accomplished – jetzt auch hier

14. Dezember 2017

Im April letzten Jahres sah das RSV-Blog seine Mission als beendet an, entsprechendes gilt jetzt auch hier. Nach durchschnittlich ca. 10.000 Seitenaufrufen pro Jahr in den letzten Jahren dürfte das Thema (Nicht)Vorlage einer schriftlichen Verteidigervollmacht inzwischen hinreichend beleuchtet worden sein – und manche werden ihren Nutzen daraus gezogen haben. Vielleicht haben sogar einige Behörden inzwischen verstanden, dass das Herumreiten auf einer Vollmachtsvorlage schlicht keine Rechtsgrundlage hat. 😉

Die Redaktion des RSV-Blogs hatte sich nach gut 11 Jahren entschieden, den Betrieb einzustellen und das Blog so, wie es ist, zum Denkmal werden zu lassen. Nach etwas mehr als 10 Jahren VollMachtsBlog schließen wir uns dem an – mit einem letzten Dank allen Lesern und Kommentatoren für Ihr Interesse in all‘ den Jahren sowie den Besten Wünschen für die bevorstehenden Festtage und zum Jahreswechsel!


Keine Vollmachtsvorlage – auch nicht in Steuerstrafsachen

26. Oktober 2016

Der Kollege Karsten Lühr schildert seinen Kampf mit dem Finanzamt um die Frage der Vollmachtsvorlage:

Sehr geehrter Herr Kollege Melchior,

mit großem Interesse lese ich Ihr Blog, obwohl ich mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsrecht nur selten Ausflüge ins Strafrecht unternehmen muss.

Bei einem Sanierungsfall ist es mir nun gelungen, das von Ihnen dankenswerterweise aufbereitete Praxiswissen zu nutzen und auch an das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen in Lüneburg weiterzugeben.

Meine Bitte um Akteneinsicht unter anwaltlicher Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung wurde zunächst telefonisch unter Hinweis auf die fehlende Vollmacht abgewiesen.

Ich wies danach schriftlich darauf hin, dass ich im Hinblick auf § 145a StPO bewusst auf die Vollmachtsvorlage verzichtet habe, dabei bleibe, dennoch die Akteneinsicht begehre.

Nachfolgend forderte mich das Finanzamt erneut zur Vollmachtsvorlage auf und verwies dabei auf Nr. 32 AStBV. Meine nachfolgende Dienstaufsichtsbeschwerde führte dann heute – nach dreimonatiger Verzögerung – zur kommentarlosen Akteneinsicht. Darin fand sich anliegender Vermerk.

Der Fall ist m. E. auch ein schönes Beispiel dafür, dass Dienstaufsichtsbeschwerden nicht immer fruchtlos sein müssen. Im Hinblick darauf, dass es mir ohne Ihre Arbeit unmöglich gewesen wäre, auf diesen vielleicht entscheidenden Nebenkriegschauplatz erfolgreich zu sein, verbleibe ich mit Dank und

besten kollegialen Grüßen

Karsten Lühr
Rechtsanwalt

Vielen Dank. Schön, dass wir helfen konnten!


Owi verjährt?? Kleiner Kuhhandel gefällig?

14. Oktober 2016

Die Bußgeldstelle übersieht offensichtlich, dass ich (wie immer) keine Vollmacht zur Akte gereicht habe und stellt mir den Bußgeldbescheid förmlich gegen Empfangsbekenntnis zu. Der Mandant erhält nur eine einfache Kopie – der Klassiker.

Also zunächst nur Einspruch eingelegt – natürlich ohne Begründung. Diese erfolgte dann pünktlich drei Monate und einen Tag (Insider wissen Bescheid) nach Datum der Anhörung: Es ist Verfolgungsverjährung eingetreten, es folgt eine kurze Darstellung der relevanten Daten.

Die Bußgeldstelle versteht zunächst offensichtlich nichts, schreibt den Mandanten direkt an und versucht ersichtlich, diesen unter Druck zu setzen. Es folgt ein netter Besinnungsaufsatz zur Anhörung, deren Funktion und Wirkung etc. pp. Würde der Mandant seinen Einspruch nicht zurücknehmen, müssten Staatsanwaltschaft und Gericht tätig werden (böse, böse!).

Also noch ein Schreiben an die Bußgeldstelle mit Hinweis auf die allein relevante unwirksame Zustellung des Bußgeldbescheides – die ggf. das zuständige Gericht feststellen möge. Jetzt wird’s lustig:

Der Leiter der Bußgeldstelle höchstselbst (!) fragt per E-Mail „aus reinem Erledigungsinteresse“ an, ob ich „einer Rücknahme des Bußgeldbescheides bei gleichzeitigem Erlass eines Verwarnungsgeldangebotes von 55.- € (ohne Eintragung im FAER) entgegen treten würde.“

Ob dieses Angebot überhaupt mit § 47 Abs. III OwiG vereinbar ist, mag einmal dahinstehen. Jedenfalls bleibt es bei dem Einwand der Verjährung. Nach zwischenzeitlicher Erinnerung dann heute die Nachricht:

Der Bußgeldbescheid wird wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung zurückgenommen, die Behörde trägt die Kosten und Auslagen.

Na also, geht doch! 😉


Vollmachtsphantasien

24. August 2016

Den klaren Wortlaut des § 51 Abs. III S. 1 OWiG („Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet“) haben schon diverse Gerichte mit den abenteuerlichsten Argumenten bis an den Rand der Rechtsbeugung ignoriert, um die Verjährung einer Ordnungswidrigkeit zu verhindern.

Bemerkenswert auch der Eiertanz, den das KG in seinem Beschluss 3 Ws (B) 217/16 -162 Ss 55/16 vom 17.o6.2016 vollführt. Zunächst fängt es noch ganz gut an:

a) Der Wirksamkeit der Zustellung steht nicht entgegen, dass sich zum Zeitpunkt der Zustellung in dieser Sache nur eine sog. Blankovollmacht, die u.a. den bevollmächtigten Rechtsanwalt nicht erkennen lässt, bei den Akten befand. Nach Auffassung der Verteidigung erfülle eine solche Vollmacht die Anforderungen des § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG nicht. …

aa) Der Verteidigung ist nur insoweit zustimmen, als dass es fraglich erscheint, ob die Wirkung des § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG – die gesetzliche Fiktion einer Zustellungsmacht – bei Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger auch dann eintreten kann, wenn sich entgegen dem Gesetzeswortlaut vor Zustellung eine dem Verteidiger durch den Betroffenen eindeutig erteilte Vollmacht nicht in der Akte befindet.

Man beachte: „… entgegen dem Gesetzeswortlaut“. Mit dieser Ausgangsthese ist die Antwort eigentlich schon klar: Entgegen dem Gesetzeswortlaut geht GAR NICHTS! Dann aber fängt der Eiertanz an:

„In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass eine wirksame Zustellung nicht nur aufgrund einer gesetzlichen Zustellungsvollmacht, sondern auch aufgrund einer rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erfolgen kann.“

Ja, leider nehmen es die genannten Gerichte (u.a.) mit dem Gesetzeswortlaut eben nicht so genau. Und weiter:

Ob eine solche rechtsgeschäftliche Vollmacht vorlag, … ist im Einzelfall aus der Gesamtheit der erkennbaren Umstände sowie dem Auftreten des Rechtsanwaltes im Verfahren zu schließen. … Dabei kommt es nur darauf an, ob die Vollmacht tatsächlich zum Zeitpunkt der Zustellung bestand, das heißt, ob sie vom Vollmachtsgeber tatsächlich erteilt worden ist.

Und so ist der finale Rettungsschuss unausweichlich:

cc) Aus den aus den Akten ersichtlichen Gesamtumständen ergibt sich, dass der Betroffene Rechtsanwalt X am 3. Juli 2014 in dieser Sache eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt hatte.

Aha: Streiche „Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet“ und setze „aus den Akten ersichtliche Gesamtumstände.“ So geht das also!

„Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. BverfGE 118, 212 )“, so Beschluss des BVerfG 1 BvR 918/10BVerfG 1 BvR 918/10 vom 25.o1.2011.

Zur Ehrenrettung des KG muss allerdings gesagt werden, dass der Kollege „X“ als Verteidiger neben umfangreichen Aktivitäten (äußerst ungeschickt) mit sogar zwei Vollmachtsurkunden herumhantiert hatte, wenn auch ausgestellt auf „Rechtsanwälte X+Y“ – was generell nicht ausreicht.

Lustig auch, dass das KG offensichtlich demselben Kollegen „X“ schon einmal etwas zur sog. „rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht“ ins Stammbuch geschrieben hat: „ 3 Ws (B) 365/14 [betrifft ebenfalls Rechtsanwalt X]“.

Also nochmals: Keine, aber auch wirklich GAR KEINE !!! Vollmachtsurkunde zur Akte reichen, mit welchem Text auch immer! Sonst provoziert man geradezu Vollmachtsphantasien vorliegender Art.


Vollmacht ? Ist hier so vorgeschrieben !

28. Juni 2016

In einer Rechtsbeschwerdesache möchte die Staatsanwaltschaft eine Vollmachtskopie , bevor sie die Sache an das OLG weiterleitet. Auf meine Frage nach der Rechtsgrundlage teilt man mir nebulös mit, das sei dort „so vorgeschrieben“, ohne Vollmacht ginge nichts.

Wetten, dass doch … 😉


Die spinnen, die Bayern!

15. April 2016

Der Kollege Sünkenberg  fühlt sich unter uns Vollmachtsverweigerern ziemlich wohl – und das, obwohl ihm eine bayerische Staatsanwältin Folgendes mitteilte:

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,

es wird erneut gebeten, eine schriftliche Vollmacht zur Akte zu geben. Bei der Staatsanwaltschaft München II wird aus Gründen des Datenschutzes grundsätzlich Akteneinsicht nur mit Vorlegung oder Nachreichung einer schriftlichen Vollmacht zum Nachweis des Vertretungsverhältnisses gewährt. Dem steht auch nicht die von Ihnen zitierte Rechtsprechung entgegen; nach der Rechtsprechung kann die Vorlage einer Vollmachtsurkunde verlangt werden, wenn im Einzelfall Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen (Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, vor § 137 Rn. 9; Hamm AnwBI 81, 31; München StV 08, 127, 128; LG Hagen StV 83, 145). Vorliegend ergeben sich aufgrund Ihrer beharrlichen Weigerung, eine Vollmacht zur Akte zu geben, Zweifel an dem Vorliegen eines wirksamen Vertretungsverhältnisses.

Mit freundlichen Grüßen

Staatsanwältin

Geht’s noch ???  😦


Ohne Worte

13. April 2016

Meine Befürchtung, das VollMachtsBlog habe sich praktisch selbst abgeschafft, ist offensichtlich unbegründet, wie nachfolgendes sinnfreies Formular der Schweriner Bußgeldstelle zeigt (das immerhin einfach per Rückfax zu beantworten war). 😉

VMV

P.S. Mein entsprechender dezenter Hinweis im Akteneinsichtsgesuch  wurde offensichtlich schlicht übersehen – oder aber nicht verstanden.

P.P.S. Nach meinen Rückfax kam die Akte dann. Na also, geht doch! 😉


Vollmachtsvorlage, sogar unter Fristsetzung ?

6. April 2016

Manche haben es anscheinend immer noch nicht verstanden, so z.B. „unsere“ Bußgeldstelle:

„Gleichzeitig bitte ich Sie hiermit, mir ihre schriftliche Bevollmächtigung für das laufende Ordnungswidrigkeitenverfahren bis zum o.g. Termin nachzureichen.“

Mal sehen, was man mir auf meine Frage nach der Rechtsgrundlage antwortet. 😉

P.S.: Die blieb natürlich unbeantwortet. 😉


Mal wieder: Keine Wirksame Zustellung an Sozietät

10. März 2016

Die Verkehrsanwälte berichten:

Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken kommt in seinem Beschluss vom 6. Januar 2016 – Az.: 1 OWi 1 SsBs 9/15 – zu dem Ergebnis, dass dann, wenn nur ein bestimmter Rechtsanwalt aus einer Kanzlei als Verteidiger mandatiert ist, die ausdrücklich an die Kanzlei als solche gerichtete und ohne jeden namentlichen Hinweis auf den bevollmächtigten Verteidiger versehene Zustellung unwirksam ist. Dies gilt auch dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Name des bevollmächtigten Verteidigers in der Bezeichnung der Kanzlei vorkommt.

Der Zustellungsmangel wurde auch nicht gemäß §§ 51 Abs. 1 Satz 1 OWiG, 1 Abs. 1 LVwZG, 8 VwZG geheilt. Danach gilt ein Dokument als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Dieser tatsächliche Zugang des Bußgeldbescheids bei dem Verteidiger lässt sich im vorliegenden Fall nicht belegen, denn es reicht nicht aus, dass der Verteidiger erfahren hat, dass gegen seinen Mandanten ein Bußgeldbescheid erlassen wurde. Er muss vielmehr von dem Inhalt des Bußgeldbescheides Kenntnis nehmen können. Zwar muss dem Verteidiger der Bußgeldbescheid nicht vorgelegt worden sein, ihm muss aber bekannt sein, dass sich der Bußgeldbescheid in seiner Kanzlei befindet und er deshalb Zugriff auf das Dokument hat.

Dies lässt sich nach Ansicht des OLG Zweibrücken aus der Unterschrift unter dem Schriftsatz, mit dem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt und Akteneinsicht beantragt wurde, nicht mit hinreichender Sicherheit herleiten, selbst wenn die Unterschrift von dem Verteidiger stammen sollte. Dass der Verteidiger selbst diesen Schriftsatz nach Vorlage des Bußgeldbescheides diktiert oder seine Erstellung veranlasst hat, ist nicht zwingend. Der Schriftsatz enthält einen standardisierten Text, der nicht von dem Verteidiger stammen muss, sondern auch nach Mitteilung über den Erlass des Bußgeldbescheides von einem anderen Mitarbeiter der Kanzlei erstellt worden sein kann. Dem Schriftsatz lässt sich nicht entnehmen, wem der Bußgeldbescheid zugestellt worden ist. Nähere Einzelheiten können dem ausführlich begründeten Beschluss entnommen werden.


Eigentor droht !

3. März 2016

Der Kollege Andreas Jede beschäftigt sich in seinem Kanzleiblog mit einer „immer mehr um sich greifenden Unsitte“ – und in der Tat: In letzter Zeit häufen sich Emfangsbekenntnisse, in denen sich der einleitende Halbsatz findet: „Ich bin zur Entgegennahme legitimiert …“

Im zivilrechtlichen Bereich vielleicht eher egal, aber im Bereich Ordnungswidrigkeiten / Strafrecht warnt der Kollege durchaus zu Recht:

„Der Anwalt, der dieses Empfangsbekenntnis unterzeichnet, erklärt sich für empfangsbevollmächtigt. Mit der Folge, dass Zustellungen, beispielsweise für Ladungen des Mandanten, an ihn erfolgen können.“

Und in der Tat: Sieht man sich die Klimmzüge an, die manche Gerichte veranstalten, um „Vollmachtsvorlage-Verweigerer“ an den §§ 51 Abs. III OwiG, 145 a StPO vorbei mit abenteuerlichen Konstruktionen wie einer sog. „rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht“ o.ä. zu Empfangsbevollmächtigten der Delinquenten zu machen, sind unkorrigierte Emfangsbekenntnisse dieser Art ein Selbstgänger.